Carola Gold-Preis 2016 für Prof. Lotte Kaba Schönstein und Dr. Ellis Huber

Auf dem Kongress Armut und Gesundheit wurde die Auszeichnung zum 4. Mal verliehen

Die Vergabe des Carola Gold-Preises im Rahmen des Kongresses Armut und Gesundheit soll Menschen auszeichnen, die sich um die Verbesserung gesundheitlicher Chancengleichheit verdient gemacht haben.

Ein solches Engagement ist auch in einem reichen Land wie Deutschland noch immer nötig: Denn nach wie vor bestehen gravierende Unterschiede in der Lebenserwartung und Lebensqualität von sozial benachteiligten Menschen im Vergleich zu Bessergestellten. Armut ist und bleibt der bedeutendste Risikofaktor für die Gesundheit. Dass die Datenlage hierzu mehr als deutlich und der Handlungsbedarf groß sei, betont auch Juliane Zinke vom AWO-Bundesverband, die gemeinsam mit Stefan Pospiech die Preisverleihung eröffnet.

Der Preis ist aber auch dafür gedacht, das Andenken an die frühere Geschäftsführerin von Gesundheit Berlin-Brandenburg, Carola Gold, zu ehren. Der Preis als stilisierter Kompass, der die Richtung vorgibt, versinnbildlicht Carola Golds Person, in der sich Mut und Kampfgeist vereinten. Mit Prof. Lotte Kaba-Schönstein und Dr. Ellis Huber werden 2016 zwei Menschen ausgezeichnet, die ebenfalls eine Kompass- und Lotsenfunktion im Feld der Gesundheitsförderung einnehmen.

Lotte Kaba-Schönstein – „eine begnadete Vernetzerin“

Thomas Altgeld, Geschäftsführer der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen und Laudator für Lotte Kaba-Schönstein, gewährt dem Publikum zunächst Einblicke in das Leben der Preisträgerin. Geboren und aufgewachsen im Nord Schwarzwald, absolvierte sie zunächst eine Ausbildung als Krankenpflegerin und arbeitete anschließend mit an Krebs erkrankten Menschen.

Der Erwerb von Wissen begleitete ihr ganzes Leben. In den 1970er Jahren absolvierte sie ein Studium der Sozialarbeit und arbeitete anschließend in der Gesundheits- und Familienfürsorge im Landkreis Kassel. Dort wurde sie für das Thema Chancengleichheit sensibilisiert. Anschließend studierte sie Sozialwissenschaften in Göttingen. 1997 erhielt sie eine Professur an der Fachhochschule Esslingen im Bereich soziale Arbeit und Gesundheitsförderung. Ihre Teilnahme an zahllosen, auch internationalen Konferenzen, so etwa an der Konferenz in Genf zum Thema Chancengleichheit (1989) oder der Sundsvall-Konferenz (1991), zeigt ihre nicht nachlassende Wissbegier. Nie verstand sie Gesundheitsförderung dabei als ein Projekt der Nordhalbkugel, sondern immer als ein international relevantes Arbeitsfeld.

Als Prä-Google zu Gesundheitsförderungslinks bezeichnet Thomas Altgeld sie, als wandelndes Lexikon. Das drücke sich auch in ihrer Neigung aus, nie mit weniger als 5 bis 10 kg Papier im Gepäck zu reisen. „Sie ist eine der begnadetsten Vernetzerinnen, die ich kenne. Ebenso wie Carola. Mit ihr verbindet sie außerdem, dass sie die Arbeit mit nach Hause nimmt und dass sie – aufgrund ihrer Biographie – die verschiedensten Arbeitsbereiche kennt. Was sie wesentlich mit vorangebracht hat, war das Thema gesundheitliche Chancengleichheit in den Internationalen Fortbildungslehrgängen zur Gesundheitsförderung (BZgA/WHO/ZAG Lüneburg) sowie in der BZgA und dem Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit. Außerdem ist sie seit den 1990er Jahren Mitglied der Redaktionsgruppe der von der BZgA herausgegebenen ‚Leitbegriffe der Gesundheitsförderung‘.

Auch die Geehrte erinnert sich, nachdem sie Preis und Urkunde in Empfang genommen hat, an Carola Gold und daran, „mit wie viel Energie sie ihre Ziele verfolgte.“ „Was mich mit ihr verbindet“, so Lotte Kaba-Schönstein über die Parallelen zwischen ihr und Carola Gold, „ist, dass wir gern lachen und arbeiten und planen.“ Und sie betont: „Es war mir immer wichtig, Gesundheit nicht zu individualisieren, Gesundheit für alle zu fordern.“ Schon in jungen Jahren in ihrer Arbeit in der Familienfürsorge habe es sie erschrocken, wie sehr sie schon kleinen Kindern die Auswirkungen gesundheitlicher Chancenungleichheit angesehen habe, z. B. an ihrer blass-grauen Haut und ihrem krausen, stumpfen Haar, verglichen mit ihren bessergestellten Altersgenossen. Diese Erfahrungen haben sie geprägt und nicht mehr losgelassen und ihre Arbeit vorangetrieben. Auch berufsbiografisch war es ihr dabei stets ein großes Anliegen, die Zusammenarbeit verschiedener Sektoren und Berufe voranzutreiben. Gesundheit verstand sie immer auch als politische Frage.

Dr. Ellis Huber – „Provokateur und Integrator“

Anschließend tritt Prof. Rolf Rosenbrock (Vorstandsvorsitzender von Gesundheit Berlin-Brandenburg und des Paritätischen Gesamtverbandes) ans Rednerpult, um den zweiten Preisträger des Abends zu ehren: Dr. Ellis Huber. 1979 war er ihm erstmals im damaligen West-Berlin begegnet, in der Vorbereitung des Gesundheitstages 1980, der maßgeblich durch Ellis Huber vorangetrieben wurde. Der Gesundheitstag hatte insgesamt 12.000 Teilnehmende, ein sagenhafter Erfolg. „Da ist beim Kongress Armut und Gesundheit noch viel Luft nach oben!“ Dieser Gesundheitstag stellte, so Rosenbrock, den Urknall der modernen Gesundheitsbewegung in Deutschland dar: Die Akademisierung von Public Health stünde ebenso wie der Kongress Armut und Gesundheit in dieser Tradition.

Rolf Rosenbrock beschreibt Ellis Huber als immer fairen Kooperationspartner und guten Zuhörer. Er berichtet von ihrer gemeinsamen Teilnahme als Sachverständige an der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“ (1987-1989), ein Meilenstein auf dem Weg zur Verabschiedung des Präventionsgesetzes. 1987 bis 1999 war Huber Präsident der Ärztekammer Berlin: eine provokante Stimme (Rosenbrock: „Das war schön!“), zugleich aber auch ein großer Integrator. Den Kongress Armut und Gesundheit hat er – gemeinsam mit Prof. Trabert – initiiert und auf den Weg gebracht. Insofern kann er als einer der vielen Väter des Kongresses gelten.

Ellis Huber reist bei seinen Dankesworten zurück in die Kindheit, zurück in das Dorf seiner Eltern in Süddeutschland. Er berichtet vom Vater, der Handwerker war. Von ihm lernte er den Umgang mit Bohrmaschine und Gewindeschneider. „Das hat mir später als Arzt sehr geholfen!“ fügt er scherzhaft hinzu. Auch berichtet er davon, wie er sich als katholischer Bauernsohn einer Laufbahn als Pfarrer entziehen konnte, da seine Eltern trotz ihres geringen Einkommens hohe Beträge in den selbstbestimmten Ausbildungsweg des Sohnes investierten.

Auf die Gesundheitstage zurückblickend betont er, dass es nicht darum ging, Fürsorge für die Armen zu betreiben. Vielmehr sollten ihnen die Mittel zur Gestaltung ihrer Lebenswelt an die Hand gegeben werden. Zugleich ist das Überwinden von Grenzen – zwischen Experten und Laien, zwischen den Professionen oder zwischen Gesundheitsförderung und Medizin  – ein wesentliches Anliegen seiner Arbeit, mit einem beständigen Fokus auf Interdisziplinarität, Ressourcenorientierung, Empowerment und soziale Verantwortung. Darum ginge es auch dem Kongress Armut und Gesundheit, der immer wieder Mut und Zuversicht vermittle. In diesem Sinne beschließt Ellis Huber seine Ausführungen: „Ich nehme den Preis als Ausdruck eurer aller Leistung und in diesem Sinne mit Herzklopfen und Freude entgegen!“

Hintergrund

Seit 2013 wird der Carola Gold-Preis an Menschen verliehen, die sich in herausragender Weise für die Verbesserung von gesundheitlicher Chancengleichheit einsetzen. Preisträgerinnen und -träger der vergangenen Jahre waren Eva Göttlein und Heinz Hilgers (im Jahr 2013), Ingeborg Simon und Dr. Andreas Mielck (im Jahr 2014) sowie im vergangenen Jahr Dr. Jenny De la Torre Castro und Klaus-Peter Stender. Der Carola Gold-Preis wurde gemeinsam vom Vorstand von Gesundheit Berlin-Brandenburg und dem Steuerungskreis des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit ins Leben gerufen. Ausgelobt wird der Preis von den Landesvereinigungen für Gesundheit(-sförderung) sowie dem AWO Bundesverband.

Autorin: Marion Amler

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